Digitalisierung des historischen Musikarchivs Spitz an der Donau

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Werke/Sammlungen geordnet nach dem Namen des Komponisten
Werke/Sammlungen geordnet nach Signaturen

Das Forschungsprojekt „Dokumentation und Digitalisierung des historischen Musikarchivs der Pfarre Spitz an der Donau“, angesiedelt am Institut für kunst- und musikhistorische Forschungen der Öster­reichischen Akademie der Wissenschaften, hatte das Ziel, den bis vor kurzem in der Musikforschung unbekannten Notenbestand zu katalogisieren und zu fotografieren. Spitz an der Donau ist eine der bedeutendsten Landpfarren Niederösterreichs und kann auf eine jahrhundertelange Musiktradition zurückblicken. Schon im Mittelalter wurde hier der Gregorianische Choral von Mönchen aus dem Kloster Niederaltaich, zu dem die Pfarre bis 1803 gehörte, und von Weltpriestern gepflegt. Überregionale Bedeu­tung erlangte die Kirchenmusik von Spitz am Ende des 18. und im 19. Jahrhundert(s). Das historische Musikarchiv umfasst etwa 800 Werke aus dem Zeitraum 1780 bis 1950, überwiegend in Form von Abschriften von zeitgenössischen Kompositionen u.a. von Johann Georg Albrechtsberger, Ludwig van Beethoven, Joseph und Michael Haydn, Wolfgang Amadé Mozart sowie Antonio Salieri. Allein für die beiden Haydn-Brüder sind Abschriften von 90 Werken überliefert.

Für die niederösterreichische Musikgeschichte bedeutend sind die vielen Kompositionen von Kleinmeistern wie Franz Joseph Pfeiffer (Maria Taferl), Franz Schneider (Melk), Joseph Spoth sen. (Maria Taferl), Eduard Willvonseder (Ybbs) und Johann Wandl (Spitz). Etliche Werke sind in Spitz unikal überliefert oder stellen eine der wenigen erhaltenen Quellen dar. So zum Beispiel Michael Haydns Bass-Aria Cantate domino canticum novum (MH 97), die sonst nur noch in Göttweig überliefert ist. Erhalten ist auch eine der sehr seltenen Abschriften der Messe pour le Sacre de Napoléon (Krönungsmesse), die bisher dem französi­schen Komponisten Etienne-Nicolas Méhul zugeschrieben wurde. Neuere Forschungen lassen den Komponisten Franz Xaver Kleinheinz, der in Wien zum unmittelbaren Umkreis von Beethoven gehörte, als Schöpfer dieser Messe erscheinen. Laut einer Eintragung in der Fagott-Stimme wurde das Werk am 15.09.1844 in Baden (bei Wien) uraufgeführt.

Der größere Teil des Notenbestands wurde im Mai 1977 an das Archiv des Klosters Niederaltaich (Nieder­bayern) geschenkt. Der damalige Pfarrer von Spitz sah in dieser Schenkung die einzige Möglichkeit, das historische Material auf Dauer zu sichern. Und er sollte Recht behalten: Im Gegensatz zu zahlreichen Land-Musikarchiven, die heute nicht mehr auffindbar sind, ist der Spitzer Notenbestand zur Gänze erhalten. In den Jahren 1999 und 2001 erstellten zwei Abiturientinnen des Niederaltaicher Kloster­gymnasiums einen provi­sorischen Katalog des Spitzer Depositums. Die Arbeit wurde der Musikforschung jedoch nicht bekannt gemacht.

Das Depositum Niederaltaich wurde 2016 von Gottfried Heinz-Kronberger von der RISM-Arbeitsstelle München (Bayerische Staatsbibliothek) katalogisiert. Nach der Digitalisierung und online zur Verfügung Stellung der Bilder konnten diese mit den Metadaten von RISM verlinkt werden. Robert Klugseder wurde vom Spitzer Kirchenmusiker Michael Koch auf das Notenmaterial des ehemaligen Musikarchivs in Nieder­altaich und auf Restbestände, die im Turm der St. Mauritius-Kirche verblieben sind, aufmerksam gemacht. Dieser Teilbestand wurde 2010 von Claus Hamberger entdeckt und während der Projektlaufzeit gesichert, digitalisiert und in Kooperation mit der RISM-Arbeitsstelle München katalogisiert. Die Daten stehen auf RISM online unter den Bibliothekssignaturen D-NATk (Niederaltaich) und A-SPD (Spitz) zur Verfügung (RISM online). Die 40.000 Farbabbildungen in hoher Qualität werden hier auf www.digital-musicology.at bereitgestellt.

Durch die Digitalisierung und Katalogisierung des historischen Notenarchivs und die wissenschaftliche Dokumentation der Spitzer Kirchenmusikpflege konnte ein Desideratum der niederösterreichischen Musik­forschung aufgearbeitet werden. Der musikwissenschaftlichen Forschung im Allgemeinen steht ein bedeu­tendes Noten-Repositorium in Form von Originalquellen open access zur Verfügung. Da das Noten­material deutliche Spuren des Zerfalls durch Tintenfraß zeigt, stellt die Digitalisierung auch eine alternative und kostengünstige Methode der Konservierung dar. Erste Untersuchungen zeigten, dass für die Genese des Spitzer Musikarchivs die Beziehungen zur Stadt Krems und den benachbarten Klöstern Göttweig und Melk eine wichtige Rolle spielten.

Technische Umsetzung: Die Abbildungen in hoher technischer Qualität werden über einen IIIF-Image-Server open access zur Verfügung gestellt. Die Daten sind über eine IIIF-Schnittstelle online abrufbar. Die Abbildungen können so direkt in RISM-online eingebunden werden. Hier auf www.digital-musicology.at werden die Bilddaten mit dem IIIF-Imageviewer Mirador präsentiert. Die Mirador-App ermöglicht die Anzeige von Abbildungen in höchster Auflösung und erlaubt verschiedene Bildmanipulationen wie Drehen, Ändern der Helligkeits- und Farbeinstellungen, Invertierung usw. Eingeschränkt sind auch Textannotationen möglich. Die erstellten Annotationen werden ausschließlich lokal im Browser gespeichert. Das hat zur Folge, dass die Annotationen nur im gleichen Browser betrachtet und bearbeitet werden können, in dem sie ursprünglich erstellt wurden. Das Löschen von Cookies führt zum Verlust der Annotationen. Ein Teilen der Annotationen mit anderen Benutzern ist aktuell noch nicht möglich. Die von RISM München erstellten Katalogisierungsdaten stehen innerhalb der Mirador-App als Metadaten zur Verfügung.

Projektleitung: Robert Klugseder

Mitarbeiter Digitalisierung: Paul Gulewycz und Robin Weißberg

Manifesterstellung und Konfiguration des Mirador-Viewers: Peter Provaznik. Technische Unterstützung durch das Austrian Centre for Digital Humanities (ÖAW-ACDH).

Partner: Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien, Pfarre Spitz an der Donau, Benediktinerkloster Niederaltaich und Répertoire International des Sources Musicales (RISM) - Arbeitsstelle München.

Finanzierung: Pfarre Spitz an der Donau, ÖAW-IKM und Wissenschaftsförderung des Landes Niederösterreich.