Digitale Musikanalyse mit den Techniken der Music Encoding Initiative (MEI) am Beispiel der Kompositionsstudien Anton Bruckners

In diesem interdisziplinären Projekt soll am Beispiel der automatisierten Analyse harmonischer Strukturen erforscht werden, inwieweit Methoden der XML-Techniken gewinnbringend im Bereich der Musikwissenschaft eingesetzt werden können. Neben computerbasierten Methoden und Werkzeugen zur Harmonieanalyse sind neuartige Visualisierungskonzepte zu erforschen, die es erlauben, große Musikdatenbestände hinsichtlich harmonischer Strukturen und Varianten auf interaktive Weise zu durchsuchen, zu analysieren und die Ergebnisse am Computerbildschirm dar­zustellen. Die Verifizierung der musikwissenschaftlichen Relevanz der zu entwickelnden Konzepte soll paradigmatisch anhand der Analyse von Kompositionsstudien Anton Bruckners erfolgen. Dafür soll Bruckners Kitzler-Studienbuch in zeitgemäßer Weise erschlossen werden. Dazu werden sämtliche Inhalte im Codierungsformat der Music Encoding Initiative (XML-MEI) transkribiert und auf Taktebene mit den bereits vorhandenen Digitalisaten der Handschrift verknüpft. Die Analyse der Musik erfolgt nicht auf Grundlage von Audiodateien (digital konservierter Livemusik) sondern von in XML codierter „verschriftlichter“ Musik (Musiknotation).

Das Kitzler-Studienbuch, von Bruckner während seines Unterrichts bei dem Dirigenten und Violon­cellisten Otto Kitzler (1834-1915) in Linz angelegt, eignet sich hierfür in besonderer Weise, da es zahlreiche harmonische Studien enthält, die weitgehend ohne größeren musikalischen Rahmen eine Vielzahl an harmonischen Entwicklungen abdecken und so eine große inhaltliche Band-breite zur Verfügung stellen kann.

Die Möglichkeit der automatisierten Auswertung größerer Musikkorpora könnte zu einem Paradigmenwechsel innerhalb der Historischen Musikwissenschaft führen: Bisherige Methoden würden nicht überflüssig, könnten aber auf Grund des objektiv vorgegebenen Befundes – der als solcher kritisch zu überprüfen wäre – mit neuen Fragestellungen konfrontiert werden. Die Umsetzbarkeit dieses innovativen Vorhabens der computergestützten Musikanalyse wurde bereits theoretisch belegt. Hier soll nun zum ersten Mal die praktische Umsetzung erprobt und die Grenzen des Machbaren erschlossen werden.

Das auf zwei Jahre angelegte Projekt wird durch das Digital Humanities-Förderprogramm GO!DIGITAL der ÖAW finanziell unterstützt.